BWE-Präsident Albers nennt die Diskussion um Laufzeitverlängerungen eine „Phantomdebatte“. Der BEE spricht von „wertlosen und irreführenden Energieszenarien der Bundesregierung“.

Die Meldungen im Einzelnen:

BWE-Präsident Albers: Diskussion um Laufzeitverlängerungen ist eine Phantomdebatte

Die Bundesminister Röttgen und Brüderle haben am 30. August 2010 eine erste Einschätzung der Bundesregierung zu den wissenschaftlichen Ergebnissen der Institute PROGNOS Energiewirtschaftliches Institut an der Universität zu Köln (EWI) und der Gesellschaft für Wirtschaftliche Strukturforschung (GWS) vorgestellt. Die Gutachter bestätigen, dass der Weg in das Zeitalter der Erneuerbaren Energien bis zum Jahr 2050 möglich ist. Dabei würden die ambitionierten Klimaschutzziele der Bundesregierung - Minderung der Treibhausgasemissionen um 40 % bis 2020 und um mindestens 80 % bis 2050 (jeweils gegenüber 1990) - in allen Szenarien erreicht, so Bundesumweltminister Röttgen. Laufzeitverlängerungen der deutschen Kernkraftwerke hätten allenfalls marginale Auswirkungen für den Strompreis und die CO2-Reduktionen im Analysezeitraum. Folge einer Laufzeitverlängerung seien aber weniger Fortschritte bei der Energieeffizienz und geringerer Innovationsdruck für Umwelttechnologien, so Röttgen gegenüber der Presse weiter.

"Die Einschätzung des Bundesumweltministers zeigt, dass es sich bei der Diskussion um Laufzeitverlängerungen um eine Phantomdebatte handelt", erklärte Hermann Albers, Präsident des Bundesverbands WindEnergie. "Laufzeitverlängerungen von Kernkraftwerken verzögern Innovationen in der regenerativen Energiewirtschaft und zementieren bestehende Oligopole einer grundlastorientierten Energieerzeugung."

Die heute vorgestellten Ergebnisse der Gutachter stellen eine der Grundlagen für die Gestaltung des Energiekonzepts der Bundesregierung Ende des Monats dar. Zu beachten ist dabei auch, dass die Gutachten eine reine Kostenanalyse vorgenommen haben. "Für ein Energiekonzept, das die nächsten Jahrzehnte Bestand haben soll, ist eine Kosten-Nutzen-Analyse notwendig. Faktoren wie etwa regionale Wertschöpfung, Arbeitsplätze und Exportmärkte auf dem Weg ins regenerative Zeitalter sind mindestens ebenso wichtige Entscheidungsparameter wie reine Kostenbetrachtungen", so Albers.

Ein Energiekonzept der Bundesregierung, das sich nach den politischen Vorgaben einer Laufzeitverlängerung statt nach den künftigen Erzeugungskapazitäten von Wind, Sonne und Co. richtet, ist schon vom Ansatz her zum Scheitern verurteilt. Denn bis 2020 sind unter den aktuellen Rahmenbedingungen in Deutschland moderne Windenergieanlagen mit einer installierten Leistung von 45.000 Megawatt an Land und  bis zu 10.000 Megawatt auf hoher See zu erwarten. Damit kann die Windenergie bereits in zehn Jahren 25 Prozent des Strombedarfs bereit stellen. Um die Einspeisung des Windstroms zu verstetigen, sind eine intelligente Verknüpfung verschiedener erneuerbarer Energieträger und der Einsatz von Speichern notwendig. Daneben gilt es, die Potenziale der Laststeuerung zwischen Stromnachfrage und Stromabnehmern aus Industrie, Gewerbe und Privathaushalten zu steuern (= Demand Side Management). "Regenerative Kombikraftwerke, neue Speichertechnologien und Demand Side Management sind die Lösung für eine klimaschützende Energieversorgung. Kernkraft- und Kohlekraftwerke werden in Zukunft nicht mehr gebraucht. Sie sind Dinosaurier einer überholten, zentralen Energieerzeugung."

BEE: Energieszenarien der Bundesregierung sind wertlos und irreführend

Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) kritisiert massiv die von der Bundesregierung vorgestellten Szenarien für ein Energiekonzept. „Das Szenario ist das Papier nicht wert, auf dem es gedruckt ist“, sagte BEE-Präsident Dietmar Schütz. „Bei diesem Auftragsgutachten hatte die Bundesregierung von Anfang an die Ergebnisse vorgegeben. Unter allen Umständen will sie Laufzeitverlängerungen für Atomkraftwerke durchsetzen. Dafür wurden die Forschungsinstitute Prognos, EWI und GWS beauftragt, diesen energiepolitischen Irrweg quasiwissenschaftlich zu untermauern“, so Schütz.

Dabei wurde jedoch klar: Selbst unter den Rahmenbedingungen, die die Bundesregierung vorgaben, errechneten die Gutachter, dass Laufzeitverlängerungen für Atomkraftwerke absolut unnötig sind. So räumte Bundesumweltminister Röttgen heute ein, dass sie im Analysezeitraum allenfalls marginale Auswirkungen auf Strompreis und CO2-Ausstoß hätten. Mehr noch: Laufzeitverlängerungen würden weniger Fortschritte bei der Energieeffizienz und geringeren Innovationsdruck für Umwelttechnologien bedeuten, so Röttgen. „Spätestens jetzt entlarvt sich jeder, der unter diesen Umständen noch Laufzeiten von Atomkraftwerken verlängern will, als Bremser und Verhinderer einer zukunftsfähigen Energiepolitik. Sie zementiert allein die Marktmacht der vier großen Stromkonzerne über Jahrzehnte und lässt die Ankündigungen der Bundesregierung, sich auf den Weg in das regenerative Zeitalter zu begeben zu Lippenbekenntnissen werden“, so BEE-Geschäftsführer Björn Klusmann.

In dem Auftragsgutachten wurde das so genannte Referenzszenario, in dem keine Laufzeitverlängerung vorgesehen ist, mutwillig schlecht gerechnet. Fortschritte bei Energieeffizienz und Ausbau der Erneuerbaren in Wärme- und Verkehrssektor finden insbesondere in den Szenarien mit Laufzeitverlängerung statt. Auf diese Weise erscheint eine Laufzeitverlängerung geboten. Der BEE appelliert an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages, sich von dieser scheinwissenschaftlichen Arbeit nicht in die Irre führen zu lassen und stattdessen weiter auf den Ausbau der Erneuerbaren Energien zu setzen.